Das Werk

Zeichnen gegen das Vergessen ist Trauerarbeit, ist Erinnerung, ist Kunst, ist Warnung, ist Mitgefühl, ist Schamarbeit

Manfred Bockelmann hat ein großes Werk geschaffen. Groß in Format und Umfang und groß an Inhalt und Wirkung.

„Zeichnen gegen das Vergessen“ nennt er das Projekt, den Prozess beschreibt er als „Schamarbeit“. Es geht ihm darum, zumindest einigen Nummern aus der Schreckensstatistik Gesichter zu geben und damit dem perfiden Plan der Nazis, jene vollständig auszuradieren, etwas, das Bestand hat, entgegen zu setzten. Mit den Mitteln seiner Kunst fördert er die Opfer aus dem Dunkel der Verdrängnis ans Licht und führt das Monströse des Verbrechens auf subtile Art vor Augen. „Ich zeige keine Märtyrer, keine Leichenberge und keine geschundenen Kreaturen deren Gesichter von Hunger, Krankheit und Erschöpfung gezeichnet sind, die ihrer Individualität beraubt wurden. Ich zeige Individuen, denen das  Martyrium noch bevorsteht.“ Mit dieser formalästhetischen Entscheidung bedient Bockelmann ein didaktisches Konzept. Er weiß, dass sich „mit dem Gräuel niemand wirklich identifizieren kann. Wir ertragen das allzu Schreckliche nicht und schauen weg“. Die Portraits zeigen „schöne junge Menschen“, das Entsetzen entsteht erst durch den mörderischen Kontext.

Wer waren nun diese Menschen, die dem Künstler als Vorlage dienten für diese eindringlichen Bildnisse aus schwarzer Kohle, auf grober Jute, im eindrucksvollen Format von 150cmX110cm? Peter Turrini formulierte, dass „alles Grauen und alle Schuld der Welt auf sie eingestürzt“ wären. Es waren Kinder und Jugendliche, die von den Schergen des  Nationalsozialismus zwischen 1941 und 1945 ermordet wurden, weil sie Juden, Slawen, Sinti oder Roma waren, oder an körperlichen oder geistigen Gebrechen litten.

Bockelmann unterscheidet die Opfergruppen nicht: Portraits jüdischer Kinder diverser Nationalitäten „schweben“ in den Ausstellungen neben jenen von Roma, Sinti und Slawen. Dazwischen Opfer der Euthanasie. Die Ausstellungen ziehen Besucher aus nah und fern an und es sind, zur großen Freude des Künstlers, sehr viele junge Leute dabei. Denn es sind die Jungen, auf die es ihm ankommt. In vielen Führungen, die Manfred Bockelmann für Jugendgruppen macht, spricht er das auch an: „Ich mach das in erster Linie für Euch, Ihr seid die Zukunft, Ihr seid meine Hauptadressaten.“ Die Jugendlichen danken es ihm durch ihre Aufmerksamkeit, ihre Wissbegierde und ihren Respekt. Sie reagieren auf die Ernsthaftigkeit und Authentizität des Dargebotenen.

Manfred Bockelmann, München 2013